In der 24. Ausgabe von „VBV im Diskurs“ diskutierten Expert:innen und Unternehmer:innen, inwieweit die Klimawende die österreichische Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflusst. Die Austrian Roadmap2050 war für Sie live dabei.

„Nachhaltigkeit ist eine Bremse für die Wirtschaft“: Diese Ansicht hält sich hartnäckig, obwohl der Großteil der österreichischen Unternehmen mittlerweile die Chancen der Nachhaltigkeit erkannt hat. „Ich freue mich über Ihr Interesse, möchte Ihnen jedoch nicht dafür danken, sondern dazu gratulieren, denn genau genommen müsste die Themenstellung jede und jeden von uns interessieren“, eröffnete Andreas Zakostelsky, Generaldirektor der VBV-Gruppe und CEO der VBV-Vorsorgekasse, die Diskussionsrunde.

 

Klimaschutz und Politik – ein Widerspruch?

Katharina Rogenhofer, Vorständin und Sprecherin des KONTEXT – Institut für Klimafragen, erörterte zunächst die Frage, was das Ergebnis der vergangenen Nationalratswahl für Österreichs Nachhaltigkeitsziele bedeutet. Rogenhofer betonte dabei, dass der Klimaschutz in den Wahlprogrammen der verschiedenen Parteien unterschiedliche Gewichtungen fand und die Positionierungen der Parteien zu diesem Thema nicht zwangsläufig mit der Haltung ihrer Wählerschaft einherging. KONTEXT führte 2024 zu den wichtigsten Wahlkampfthemen eine Studie durch, aus der hervorging, dass Nachhaltigkeit zwar nicht das wichtigste Thema der Österreicher:innen sei, sich aber große Mehrheiten für mehr Klimaschutz starkmachen würden. Dies unterstreicht auch das aktuelle Klimabesorgnis-Monitor von INTEGRAL und SPECTRA: 46 % der Befragten gaben im Juli und August an, in den letzten sieben Tagen einen Anlass zum Nachdenken über den Klimawandel gehabt zu haben. Das ist der bisher höchste Wert im Jahr 2024 und wurde nur während der Sommermonate 2022 und 2023, infolge extremer Hitzewellen und Überschwemmungen, überschritten.

Klimaschutz wird oft als alleinstehende Problematik ohne Konnex zu Wirtschafts- und Sicherheitsthemen wahrgenommen: „Wir glauben, dass Klima ein abgetrenntes Thema ist. Dass die Teuerung, das parteiunabhängig wichtigste Thema für einen Großteil der Wähler:innen, jedoch Klimaimplikationen hat, diese Verbindung wird oft nicht gemacht“, so Rogenhofer.

Hartwig Löger, Generaldirektor der Vienna Insurance Group (VIG), erklärte, dass es politisch schwierig sei, sich zum Thema Nachhaltigkeit zu bekennen und konkrete Maßnahmen zu setzen, da diese oft im Verbot mit unmittelbarer Wirkung auf die Unternehmenssituation oder den persönlichen Lebensstil dargestellt werden (Stichwort Taxonomie) – ein europaweites Problem. Die VIG hat das Thema Nachhaltigkeit deshalb intern als „Chancenmanagement“ definiert – diese Chancen gilt es jetzt auch zu nutzen.

 

Nachhaltigkeit = Deindustrialisierung?

Laut Aufzeichnungen der WKO betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Österreich im Jahr 1955 980 €, 2023 lag dieses bei 51.828 €. Die Industrialisierung und das Wirtschaftswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg haben zu einem erhöhten CO₂-Ausstoß und einer stärkeren Nutzung fossiler Brennstoffe geführt – die Konsequenzen waren damals noch nicht bekannt oder wurden verkannt.

Die wahrgenommene Relevanz des Themas Nachhaltigkeit unterliegt in Österreich somit nachweisbar einem zeitbezogenen Trend. Zudem ist das Thema Klima nicht so greifbar wie zum Beispiel der Krieg, wie Kilian Kaminski, Co-Founder von refurbed, erklärte. Was bedeutet es, wenn die Temperaturen dauerhaft um durchschnittlich drei Grad steigen und der Meeresspiegel jährlich um 3 Millimeter ansteigt? Die Konsequenzen solcher Klimaveränderungen werden oft erst zeitverzögert sichtbar und sind im Moment selbst schwer zu belegen und zu vermitteln. Patricia Neumann, CEO Siemens AG Österreich, plädierte deshalb für die Formulierung einer klaren Vision mit simplifizierter Zielsetzung.

Cornelia Daniel, Geschäftsführerin von TausendundeinDach, betonte, dass die Kommunikation im Bereich Nachhaltigkeit insgesamt weiter verbessert werden sollte. Die Kosten einer nachhaltigen Wirtschaft stehen zu oft im Fokus, die (Co-)Benefits nicht oft genug. Vielen nicht bewusst: Mit Entstehungskosten von 5 Cent ist Photovoltaik seit acht Jahren die günstigste Energiequelle der Welt.

Neumann verdeutlichte dies am Beispiel der fortschreitenden Digitalisierung: Möchte man diese positiv besetzen, so hebt man die Möglichkeiten hervor, durch welche sich Produktions- und Geschäftsprozesse flexibler und effizienter gestalten lassen. Möchte man diese kritisch betrachten, unterstreicht man die Tatsache, dass Computer-Power auch den Stromverbrauch hebt. „Und nicht Klimaschutz kostet viel mehr“, fasste Zakostelsky zusammen.

 

Legislative: die Grundlage für mehr Nachhaltigkeit

In Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen waren sich die Expert:innen einig: Weniger ist mehr, aber das Wenige ist nötig. „Die USA innoviert, China produziert und Europa reguliert“, hielt Löger fest und betonte, dass darauf geachtet werden muss, dass durch die Schaffung neuer Gesetze zu Gunsten des Klimaschutzes keine Abwehrhaltung generiert wird, welche in Folge die Klimawende in österreichischen Betrieben hemmt. Zudem sollten Maßnahmen mit positiven Auswirkungen und einem positiven Leitbild verknüpft werden. Daniel plädiert deshalb für eine schlanke Gesetzgebung, um Nachhaltigkeitsmanagement für Unternehmer:innen zu attraktivieren und zu vereinfachen.

Eine zu stark ausgeprägte Regulatorik bringt sowohl für den Staat als auch für Unternehmen erhebliche Kosten mit sich. Wie Zakostelsky betonte, darf Regulierung nicht zu einem ressourcenintensiven Prozess werden, der auf politischer und wirtschaftlicher Ebene große Aufwände verursacht.

 

Was noch zu tun bleibt …

Löger appellierte, Verständnis dafür zu haben, dass die Umstellung auf einen nachhaltigen Betrieb für einige Akteure komplexer ist und daher zeitverzögert erfolgen kann, da nicht alle die gleichen Voraussetzungen haben. 

Mit refurbed hat Kaminski die Kreislaufwirtschaft zu seinem Kerngeschäft gemacht. „Die Frage ist nicht, ob sich nachhaltige Investitionen für Unternehmer:innen auszahlen, sondern wie lange es dauert, bis das passiert”, so Kaminski. In der Modulproduktion hat sich China unerschütterlich als Vorreiter etabliert, doch diese Module gilt es, irgendwann einmal zurück in den Kreislauf zu führen – ein potenziell, neuer Markt für refurbed, wie Daniel anmerkte. Die Zukunft wird es zeigen …

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